„Russland?!?“ So oder so ähnlich klang die Reaktion vieler, die mich danach fragten, wohin ich denn in Urlaub gehe. Ja, Russland! Es muss ja nicht immer Mallorca, Italien oder Thailand sein. Warum denn nicht mal dieses riesige Land bereisen, dessen Landessprache zugleich auch meine Muttersprache ist, auch wenn ich in Kasachstan geboren bin. Die Kultur, die meine Kindheit geprägt hat, war dann doch eher die russische.
Schon seit über einem Jahr wollten Flo und ich gemeinsam mit einem befreundeten Pärchen auf Russlandtour gehen. Bei einem russischen Abend mit lecker russischem Essen und natürlich Vodka wurde vor einiger Zeit aus einem geplanten Mädelstrip gleich eine ganze Russlandreise. Und am 10. August war es nun endlich soweit. Bereits letzten Herbst haben wir unsere Route geplant und in der Zwischenzeit alles Wichtige organisiert. Und jetzt konnte es endlich losgehen. Die erste Station auf unserer Reise: St. Petersburg. Und besser hätten wir den Start der Reise nicht wählen können. Denn seien wir mal ehrlich, St. Petersburg ist eher Russland light. Diese wunderschöne Stadt ist noch sehr westlich geprägt und man kommt hier noch sehr gut mit Englisch aus (was sich im Verlauf der Reise noch ändern wird). Und so fällt der erste Kulturschock für unsere Mitreisenden, die mit Russland bislang eher wenig zu tun hatten, nicht gleich so groß aus.
Die erste wichtige Lektion gibt es gleich am ersten Abend: Teigtaschen, eingelegtes Gemüse, Vodka und Dill! Ja, Dill! Und zwar überall, außer vielleicht bei den Süßspeisen. Ganz wichtiger Bestandteil der russischen Küche! Zum Glück schmeckt es allen. Die zweite wichtige Lektion folgt am nächsten Morgen im Hotel: Frühstück ist nicht unbedingt die Stärke der Russen. Dill gibt’s aber auch hier.
Hoch motiviert erkunden wir dann am nächsten Tag alles mögliche zu Fuß. Viel zu sehen gibt es in St. Petersburg definitiv: Isaakskathedrale, Sommergarten, Palastplatz, Winterpalast (Eremitage), Kasaner Kathedrale, Bluterlöserkathedrale etc. Die Stadt mutet an vielen Stellen so märchenhaft an. Natürlich sind außer uns noch massenweise andere Touristen in der Stadt unterwegs, auch viele russische, versteht sich. Und einige von ihnen beherrschen das perfekte Posing für Fotos, wie es uns bis zum Schluss des Urlaubs nicht gelingen will. Dabei bemühen wir uns wirklich. 😉 Und wir genießen die russische Küche – immer wieder unterschiedlich gefüllte Teigtaschen (Pelmeni, Wareniki, Piroschki, Manti, Chinkali…) und eingelegtes Gemüse, Suppen (allen voran Borsch und Soljanka) und Schaschlik. Lediglich guten, trockenen Sekt vermissen wir hier. Als Entschädigung gibt es Vodka und sehr kreative und leckere, zum Teil brennende Cocktails.
Am folgenden Tag fahren wir mit einem sowjetischen Tragflügelboot (Meteor), das vermutlich eine ähnliche Ökobilanz hat wie ein kleineres Flugzeug, nach Peterhof raus – der ältestsen Zarenresidenz außerhalb der Stadt. Das “russische Versailles” wollen wir uns nicht entgehen lassen. Bei strahlendem Sonnenschein schieben wir uns mit gefühlt einer Million anderen Touristen durch die Parkanlage und bestaunen das Schloss sowie die unzähligen Brunnen.
Im Bus auf dem Rückweg zum Hotel hat dann unser Freund Marc ein etwas anderes Erlebnis. Drei ziemlich betrunkene russische Jugendliche steigen in den Bus. Irgendwann spricht dann einer von ihnen Marc an und fragt nach der Uhrzeit. Trotz meiner Versuche, dem Guten zu erklären, dass Marc kein Russisch versteht, lässt er nicht locker. Als er dann endlich gerafft hat, dass er mit einem Tourist spricht, schwenkt er dann auf gebrochenes Englisch um. Und holt aus dem Rucksack eine Flasche Vodka (dabei ist Trinken in der Öffentlichkeit inzwischen streng verboten, was wir auch erst deutlich später erfahren). Er lässt so lange nicht locker, bis Marc mit ihm einen Schluck auf die neue Bekanntschaft trinkt. Okay, Marc trinkt einen Schluck, der junge Mann dann eher die halbe Flasche in einem Zug. Völkerverständigung. ^^
An unserem vorletzten Tag in St. Petersburg wartet auf uns die Eremitage. Nachdem wir in den Tagen zuvor die Massen der Touristen gesehen haben, die für Tickets anstehen, waren wir so klug und haben online Tickets geordert. Anstehen müssen wir dann trotzdem, aber immerhin nicht so lange. Die böse Überraschung folgt drinnen: Unzählige Reisegruppen, man kann sich kaum bewegen und der Geräuschpegel ist enorm. Das Gebäude ist wunderschön und die Auswahl an Kunstwerken wirklich sehr beeindruckend. Aber lange hält man es nicht aus. Die Mischung aus Menschenmassen, Lärm und Kunst ohne Ende überfordert schnell. Und so wechseln wir, als wir alles, was uns wichtig war, gesehen haben, in ein anderes Gebäude und schauen uns die moderne Kunst an. Hier sind immerhin viel weniger Reisegruppen. Die schiere Masse an Kunstwerken bleibt jedoch weiterhin überwältigend. Das Mittagessen in der Stolowaja haben wir uns danach definitiv verdient.
Auf dem Weg zurück in die Stadt entdecken wir noch zwei Katzenstatuen – Yelisei und Vasilisa. In St. Petersburg gibt es viele Statuen für Katzen, mit denen die Bevölkerung diesen Tieren ihren Dank ausdrücken will. Während der Leningrader Blockade wurden damals fast alle Haustiere wegen der Hungersnot geopfert. So konnten sich zahlreiche Nagetiere in der Stadt ausbreiten und sorgten für zunehmende Gesundheitsprobleme. Also leißen die Behörden mehrere Tausend Katzen in die Stadt bringen, die im Nu die Epidemie eindämmen und die Anzahl der Ratten drastisch reduzieren konnten. Wenn man St. Petersburg bereist, lohnt es sich, Ausschau nach diesen vielen Statuen zu halten. Da wir alle vier große Katzenfans sind, gefällt uns das gut. Und wer es schafft, eine Münze hinter Kater Yelisei zu werfen, der wird Glück haben. Und man glaubt es kaum, beim ersten Versuch treffe ich. 🙂
Am letzten Tag überqueren wir die Newa und machen uns auf den Weg zur Peter-und-Paul-Festung. Auf der Haseninsel gelegen findet sich der Geburtsort von St. Petersburg. Hasenstatuen gibt es hier auch überall. Und eine besonders groteskte Statue Peters I mit einem massiven Körper, einem winzigen Kopf und riesigen Händen. Mit der Statue spiete der Künstler wohl implizit auf den russischen Staat an: kleiner Kopf, lange Finger…
Für uns endet die Zeit in Petersburg und wir begeben uns zum Flughafen. Der Nachtflug nach Krasnoyarsk wartet. Sibirien, wir kommen!