War St. Petersburg noch Russia light, so haben wir in Krasnojarsk real Russia. Genau das haben sich unsere Freunde gesucht – und hier bekommen sie das auch.
So ein Nachtflug ist doch ganz schön anstrengend. Ein Inlandsflug, der gut sieben Stunden dauert. Und nein, wir haben immer noch nicht die östliche Grenze Russlands erreicht. Krasnojarsk ist ziemlich genau in der Mitte von Russland. Das Land ist wirklich gigantisch groß. In aller Früh landen wir auf dem winzigen Flughafen in Karsnojarsk – und müssen erstmal einige Stunden warten, bis der Mietauto-Schalter öffnet. Ja, hier inmitten von Sibirien wollen wir uns flexibel fortbewegen können. Flo traut sich ans Steuer und es geht in die Stadt. Das Navi auf dem Smartphone ist etwas verwirrend und so biegen wir an einem Kreisverkehr falsch ab – und landen prompt in einem Vorort, der mal so richtig real ist. Flo und ich fühlen uns nach Alexejewka zurückversetzt. Lauter Einfamilienhäuser in nicht eben allzu gutem Zustand, die Straßen sind ein einziges Schlagloch. Marc und Maria sind baff.
Den Weg zu unserem Hotel inmitten der Stadt finden wir dann doch. Ein alter Sowjetbau, mit wunderschönem Blick direkt auf den mystischen Jenissei, einem der größten Flüsse der Welt. Dieser Fluss ist auch das, was uns bis zum Schluss mit am meisten beeindrucken wird. Wir schauen uns die Stadt an, die wenigen Sehenswürdigkeiten sind schnell erkundet. Also ab zum Fluss. Und die Einheimischen freuen sich. Immer mehr Touristen kämen in unsere Stadt. Wo denn meine Besucher herkämen. Aus Deutschland? Wie schön. Dass ich eigentlich gesagt, dass wir aus Deutschland sind, wird überhört. Ich bin begeistert, ich kann mich noch als Russin tarnen. 🙂
Tags darauf bin ich schon ganz aufgeregt. Denn eigentlich sind wir nur deswegen nach Krasnojarsk, weil ich hier noch Verwandschaft habe. Meinen Cousin Alex, den ich vor einigen Jahren kennengelernt habe, und seine beiden Geschwister, die ich noch nicht kenne. Wir treffen uns zuerst mit Alex sowie seiner Familie. Und damit wir was von der wunderschönen sibirischen Natur sehen, machen wir einen Ausflug in den Stolbi Nationalpark. Doch vorher decken wir uns noch mit allem ein, was man benötigt, im ein ordentliches Schaschlik zu machen. Wir sind über die Massen an Dill, die man in einem russischen Supermarkt so erstaunt, dass wir zur Belustigung aller Anwesenden beitragen. Hoch in den Nationalpark fahren wir mit der Seilbahn. Ich bin noch erkältungsgeplagt, trotz des russischen Immunboosters aus der Apotheke. Oben auf dem Berg gibt es kleine Hütten mit Tischen, Bänken und einem Schaschlikgrill. Und einen unfassbar schönen Ausblick auf die Stadt und die unendlichen Weiten der sibirischen Wälder. Ein schöner Tag. Und abends treffen wir dann noch den Rest der Familie. Und ich reise um die halbe Welt, um einen Seelenverwandten aus der Familie kennenzulernen. Für mich ein absolutes Hoghlight dieser Reise. Und einer der Gründe, warum ich nicht das letzte Mal nach Sibirien gereist bin.
In den Tagen darauf erkunden wir die umliegende Natur. Unter anderem besuchen wir den Krasnojarsker Stausee mit dem riesigen Staudamm. Der Jenissei wird hier aufgestaut, auf gut 2130 k2, auf einer Länge von 388 km. Sehr beeindruckend. Wie alles, was wir vom Jenissei sehen. Da die Einheimischen so davon schwärmen, besuchen wir auch den Krasnojarsker Zoo. Der stimmt uns jedoch eher traurig. Majestätische Tiere in winzigen Gehegen und die Zoobesucher füttern alle Tiere, die ihr mitgebrachtes Futter haben wollen. Unser Highlight im Zoo ist das Riesenrad, das uns nochmals einen fantastischen Ausblick über die Stadt liefert.
Am letzten Nachmittag kaufen wir auf dem Markt noch Lebensmittel für unsere Fahrt mit der Tanssib nach Irkutsk ein und treffen uns abends mit meiner Familie. Am nächsten Tag besteht mein Cousin Igor darauf, uns zum Bahnhof zu fahren. Er bringt Geschenke mit und unterwegs unterhalten wir uns über das Leben in Russland. Wahnsinn, wie sich das Russlandbild der Familie in Deutschland von der Realität hier vor Ort unterscheidet. Als der Zug kommt, fällt mir der Abschied tatsächlich schwer, obwohl wir uns erst seit wenigen Tagen kennen.
Doch das Abenteuer Transsib lenkt mich schnell ab. Wir haben einen Viererabteil für uns. Da die Lüftung nicht geht, lassen wir die tür zum Gang einfach auf. Aus unserem Abteil dröhnt russische Musik. Wir trinken Vodka, essen Piroschki und eingelegtes Gemüse und spielen Phase 10. Wie von Maria befürchtet, reichen die zwei Halbliterflaschen Vodka nicht allzu lange. Also entscheiden wir, dass Flo und ich an der nächsten Haltestelle Nachschub holen. 20 Minuten würde der Aufenthalt dauern, sagt uns die Zugbegleiterin. Also sprinten wir los, von einem Kiosk zum nächsten. Unglaublich aber wahr: keiner verkauft Vodka. Leicht frustriert und etwas besorgt, der Zug könnte ohne uns abfahren, kaufen wir halt Bier. Und dann heißt es rennen, denn der Zug macht Anstalten, abzufahren. Währenddessen versucht Marc verzweifelt, der Zugbegleiterin zu erklären, dass der Zug nicht ohne uns fahren darf. Gestaltet sich allerdings schwert, weil Marc gerade erst ein paar einfache russische Worte gelernt hat und die Zugbegleiterin kein Wort Englisch spricht. Ganz außer Atem erreichen wir den zug gerade noch rechtzeitig. Und Maria ist froh, dass sie nicht alleine mit vier Reisepässen und allen Smartphones nach Irkutsk fahren muss.
Nachts wird die kaputte Lüftung wirklich unangenehm. Die Tür zum Gang mit dem hellen Licht können und wollen wir nachts nicht auflassen. Also stau sich die Luft. Flo und ich schlafen oben und gehen fast ein. Es wird eine sehr unruhige nacht, zumindest für uns beide. Entsprechend gerädert kommen wir in Irkutsk an. Umso gespannter aber auf das weitere Abenteuer…